Wenn der Kopf dich nach Thüringen bringt – und das Herz dafür sorgt, dass du bleibst - Sophia Lick von MindLeague
Sophia Lick verwandelt persönliche Sporterfahrung in eine KI-gestützte Lösung für Profiathleten. Mit über 80 Interviews, einem Red Bull Basement Weltfinale und der Bauhaus-Universität Weimar im Rücken zeigt sie, wie moderne Gründerinnen Mentaltraining demokratisieren.
LinkedIn-Nachrichten an Bundesliga-Vorstände. Videocalls mit Olympia-Athleten. Public Speaking Kurse in Kanada, bei denen die Beine so weich wurden, dass kaum ein Ton rauskam. Sophia Lick hat sich ihren Weg in die Startup-Welt nicht ausgesucht – sie hat ihn gebaut, Stein für Stein, Interview für Interview, Pitch für Pitch.
Die 29-jährige Gründerin aus Würzburg studierte an der Bauhaus-Universität Weimar Human-Computer Interaction und entwickelt mit MindLeague eine sportpsychologische App, die ein Problem löst, das sie selbst kennt: Die Diskrepanz zwischen Trainingsleistung und Wettkampfperformance. "Der Kopf hat mich nach Thüringen gebracht", sagt sie im EASTSIDE HEROES Podcast, "und mein Herz hat dafür gesorgt, dass ich hier weiterhin bin."
Das Problem kostet Vereine Millionen
Die Zahlen sind eindeutig: Nur 30 Prozent aller Sportler können in Wettkämpfen ihr volles Potenzial abrufen. Die Hälfte der Nachwuchssportler beendet die Karriere frühzeitig – nicht wegen fehlender körperlicher Fähigkeiten, sondern weil sie nie gelernt haben, mit Niederlagen umzugehen. Für Vereine bedeutet das: Investitionen in Talente, die verpuffen. Athleten unter Druck von Familie, Sponsoren, Medien – und keine systematische Lösung.
"Ein Sportpsychologe kann sich nicht um alle Athleten kümmern", erklärt Sophia. "Kapazitätsprobleme, weil alle zur gleichen Zeit Training haben. Stigmatisierung, weil Athleten sich nicht trauen, zum vereinseigenen Coach zu gehen. Vertrauensprobleme, weil sie fürchten, dass der Trainer erfährt, dass sie Hilfe brauchen." Für Einzelsportler kommt noch die finanzielle Hürde: 70 Euro pro Stunde Mentaltraining – mehrmals die Woche, über Monate.
Ein Profi-Golfer erzählte ihr, er habe sechs Monate nach einem auf Golf spezialisierten Mentaltrainer gesucht. Die gibt es – aber sie machen kein Personal Branding, haben keine Webseiten, werden schlicht nicht gefunden.
80 Interviews ohne Netzwerk – LinkedIn als Türöffner
Sophia hatte kein Netzwerk im Profisport. Sie hatte eine Idee und ein LinkedIn-Profil. "Ich musste mir von Null auf dieses Netzwerk aufbauen", beschreibt sie den Prozess, der zur Grundlage ihrer Masterarbeit wurde. Über 80 Interviews mit Profisportlern, Trainern, Mentaltrainern und Vereinsvorständen. Auf dem Weg nach Hamburg traf sie einen ehemaligen Bundesliga-Vorstand – der sie prompt weiteren Personen aus der Fußballbranche vorstellte.
"Das Wichtige ist, dass man ein authentisches Profil hat", sagt sie über ihre LinkedIn-Strategie. "Ohne Profilbild, ohne Text – da antwortet niemand. Es muss rüberkommen: Wer bin ich, was mache ich." Die Antwortquote war überraschend hoch. Profisportler und Funktionäre waren hilfsbereit, weil sie das Problem erkannten.
Diese Validierung – lange bevor die erste Zeile Code geschrieben wurde – ist klassisches Human-Computer Interaction Design: Erst die Nutzer verstehen, dann entwickeln. "Ich weiß, um benutzerzentrierte Produkte zu entwickeln, brauchst du das Feedback von den Usern", erklärt Sophia. Das Studium an der Bauhaus-Universität Weimar, eine Mischung aus Psychologie und Informatik, war dafür die perfekte Grundlage.
Weimar als Startup-Standort – Persönlichkeit statt Masse
Warum Weimar und nicht München, Berlin, Hamburg? "Weimar ist unglaublich persönlich", antwortet Sophia. "Der persönliche Kontakt und diese Bindung, die man zu den Leuten dort aufbaut, wäre in anderen Universitäten nicht so intensiv." Das Neudeli Fellowship der Bauhaus-Universität, ein Gründerzentrum, das seit 2001 existiert, bot intensive Betreuung parallel zur Masterarbeit.
Die Freiheiten im Studium waren entscheidend: Wahlfächer aus dem gesamten Universitätsangebot, BWL-Kurse, Entrepreneurship-Programme. "Mir war klar, dass ich einen Masterplatz finden möchte, wo ich ganz viel im Bereich Unternehmertum Kurse belegen kann." Ihr allererster Kurs an der Uni? Im Gründerzentrum Neudeli, über den Prozess, ein Startup aufzubauen.
Und dann kam Kanada. Das Auslandssemester, bei dem sie mit anderen Gründern in Kontakt kam, bei Microsoft-Meetings saß, Gründer-Events besuchte. Auf Hawaii traf sie eine BWL-Studentin, die ihr riet: "Schreib doch deine Masterarbeit über deine Startup-Idee." Am nächsten Tag zurück in Deutschland, rief sie ihren Professor an und pitchte die Idee. Es funktionierte.
Red Bull Basement – von Weimar nach Tokyo
"Red Bull ist ja perfekt, passt zum Sport, passt zum Mentalen", dachte sich Sophia, als jemand von Red Bull das Basement-Programm im Gründerzentrum vorstellte. Eine Competition für Startup-Ideen, deutschlandweit ein Sieger, dann das Weltfinale. Sie bewarb sich – und gewann. Gegen über 1.000 Einreichungen wurde MindLeague zur innovativsten Startup-Idee Deutschlands gekürt.
Beim Global Final in Tokyo erreichte sie die Top 10 weltweit aus 40 internationalen Teams. "Ganz ganz viele Zufälle. Die Person, die im Startup Center das Programm vorgestellt hat, war auch in München beim Finale." Sophia kennt das Muster: LinkedIn-Post gesehen, Bekannte gefragt, beworben, genommen. Die Founders Foundation in Bielefeld – entdeckt über LinkedIn, mehrere Monate jedes Wochenende hingefahren.
"In meiner kleinen Bubble in Weimar hätte ich nicht erfahren, dass es ein tolles Startup-Programm in Bielefeld gibt." Die Sichtbarkeit, die durch Wettbewerbe entsteht, öffnet Türen. "Du gewinnst an Sichtbarkeit. Die Leute nehmen dich mehr ernst, vor allem als Frau. Als Frau im Sportbereich ist das gar nicht so einfach."
Pitching als erlernbare Fähigkeit
"Die Leute denken es immer, aber ich habe es mir hart erarbeitet", sagt Sophia über ihr Pitch-Talent. Public Speaking Kurse in Kanada, in der Theaterfakultät. Beim allerersten Pitch – eine Minute über sich selbst – zitterten die Beine so stark, dass kaum ein Ton rauskam. "Aber dadurch, dass ich das regelmäßig trainiert habe, jede Woche, von Reden über Pitches, auf Englisch, habe ich das Ganze gelernt."
Ihr Tipp für andere Gründer: "Auf diesem Weg dorthin hat mich das Pitchen am weitesten gebracht. Du kannst das beste Produkt haben, aber wenn du es nicht schaffst, das Publikum oder die Jury davon zu überzeugen, dann hast du verloren." Wettbewerbe gewinnen, Sichtbarkeit aufbauen, in Programme kommen, mit den richtigen Leuten sprechen – das startet mit einem überzeugenden Pitch.
Mittlerweile moderiert sie Events, gibt Pitch-Trainings, Personal Branding Workshops, Business Model Workshops. Beim ersten gemeinsamen Event der Thüringer Hochschulgründungszentren im Kontor Erfurt stand sie auf der Bühne. Beim Investor Day ebenfalls. "Ein kleiner Full Circle Moment."
Die Lösung ist nicht der Ersatz – sondern die Ergänzung
MindLeague will Sportpsychologen nicht ersetzen, sondern einbinden. "Der Sportpsychologe kann über die App Übungen freischalten, die für den jeweiligen Sportler interessant sind." Aktuell verschicken Sportpsychologen oft WhatsApp-Sprachnachrichten mit Visualisierungsübungen. Genau das würde die App übernehmen, systematisch und KI-gestützt personalisiert.
Die Zielgruppe: Ambitionierte Sportler, Profisportler, Vereine, Sportpsychologen. Die App gibt Athleten ein Gerüst an die Hand, mit dem sie selbstständig Übungen machen können. Die Vermittlung und Interaktion verbessern, ohne die menschliche Komponente zu eliminieren.
Der aktuelle Stand: Über 80 Interviews ausgewertet, Konzept entwickelt, Prototyp getestet, kurz vor der Entwicklung. Sophia sucht noch Co-Founder im Bereich App Development und Business Development. Die Bewerbung für ein Stipendium läuft im Dezember. Gleichzeitig steht sie mit einem Bundesliga-Fußballverein in Kontakt, um vor Ort zu beobachten, wie Sportpsychologen mit Athleten arbeiten.
Zwei Millionen? Nicht genug.
Bei der Frage, ob sie MindLeague für zwei Millionen Euro verkaufen würde, zögert Sophia keine Sekunde: "Nein. Ich glaube, dass MindLeague unglaubliches Potenzial hat, und zwei Millionen sind einfach nicht genug. Das kann größer werden."
Diese Überzeugung basiert nicht auf Naivität, sondern auf 80 validierten Interviews, internationalen Auszeichnungen und einem tiefen Verständnis des Problems. Sie war selbst Golferin, kennt die Diskrepanz zwischen Training und Wettkampf aus erster Hand. Sie hat mit Olympia-Athleten gesprochen, mit Bundesliga-Vorständen, mit Nachwuchssportlern, die ihre Karriere abgebrochen haben.
Und sie bleibt in Thüringen – vorerst. "Falls Thüringen das schafft, Investitionen zu doppeln wie Leipzig, bleibe ich in Thüringen." Eine klare Ansage. Der Kopf hat sie nach Weimar gebracht, das Herz hält sie dort. Aber wirtschaftliche Rahmenbedingungen entscheiden, wo MindLeague wächst.
Was andere Gründer lernen können
Sophias Weg zeigt: Systematische Validierung schlägt Bauchgefühl. LinkedIn als Netzwerk-Tool funktioniert, wenn das Profil authentisch ist. Pitching ist erlernbar, kein Talent. Wettbewerbe sind nicht nur Preisgelder, sondern Türöffner. Kleine Universitätsstädte bieten persönlichere Betreuung als Metropolen. Co-Founder-Suche ist kein Makel, sondern Risikominimierung für Investoren.
Und noch etwas: Mediengestalterin zu sein, bevor man Tech-Gründerin wird, ist kein Umweg. Es ist ein Asset. Visuelle Kommunikation, UX-Verständnis, Präsentationsstärke – alles Fähigkeiten, die im Pitch-Deck und der App-Entwicklung entscheidend sind. Sophia wurde nicht zufällig Jahrgangsbeste, sondern weil sie schon früh verstanden hat: Lernen, ausprobieren, weitermachen.
"Ich liebe es, neue Sachen zu lernen, Neues auszuprobieren", sagt sie. Das gilt für Public Speaking Kurse in Kanada genauso wie für Interviews mit Profisportlern oder die Founders Foundation in Bielefeld. Für immer in der Firma zu bleiben, wo man die Ausbildung gemacht hat? "Wäre für mich nicht das Lebensziel gewesen."
Wer mitgründen möchte, App-Developer kennt, Sportpsychologe ist oder im Business Development arbeitet – Sophia sucht aktiv. Und für alle anderen gibt es eine Waiting List für den Launch. Denn wenn 50 Prozent der Nachwuchssportler ihre Karriere abbrechen, weil sie mental nicht vorbereitet sind, dann braucht es keine weitere Studie. Dann braucht es eine Lösung.
MindLeague könnte diese Lösung sein. Entwickelt in Weimar, validiert mit Bundesliga-Vereinen, ausgezeichnet in Tokyo. Das nächste große Ding aus Ostdeutschland hat bereits angefangen – es muss nur noch live gehen.
Kontakt: Wer Co-Founder werden möchte oder sich für die Beta-Phase eintragen will, findet alle Informationen auf der MindLeague-Website. Sophia ist über LinkedIn erreichbar – und antwortet tatsächlich.