Die Wahlthüringerin: Wie Jacqueline Schneider ihre neue Heimat zur Grillhauptstadt Deutschlands macht
Eine Geschichte über bewusste Entscheidungen, unternehmerische Leidenschaft und die Kraft, aus Überzeugung Wurzeln zu schlagen
Wenn das Herz eine neue Heimat wählt
Es gibt Momente im Leben, die alles verändern. Für Jacqueline Schneider war es nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern etwas viel Tieferes: die Erkenntnis, dass sie genau dort angekommen war, wo sie hingehört. "Als gebürtige Sauerländerin ist dieser Kulturcharakter, der hier herrscht, auch mit der Bratwurst, wie das hier zelebriert wird – das wird bei uns nicht so gelebt. Das hat seinen Reiz für mich gegeben."
Heute sitzt die 32-Jährige in der modernen Produktionshalle von ThüRos in Georgenthal und strahlt eine Ruhe aus, die nur Menschen haben, die wissen: Sie sind am richtigen Ort. Ihre Kinder sind hier geboren, ihre Wurzeln haben sich hier verankert. Jacqueline Schneider ist nicht nur Geschäftsfrau geworden – sie ist zur Thüringerin geworden.
Die Entscheidung einer Generation
Was unterscheidet Jacqueline von vielen ihrer Generation? Sie hat sich bewusst für ein Leben in Ostdeutschland entschieden – und zwar nicht aus der Not heraus, sondern aus Überzeugung. "Die Leidenschaft habe ich selber entwickelt – das lag nicht an meinen Eltern", erklärt sie ehrlich. "Das war eigentlich nie im Kopf. Ich kam immer vom Sport, habe jahrelang Handball gemacht."
Ursprünglich wollte sie Sportmanagement studieren, dachte nie daran, ins Familienunternehmen einzusteigen. Doch dann entdeckte sie die Thüringer Grillkultur für sich. Was als kleine Mitarbeit begann, wurde zu einer Leidenschaft, die ihr Leben veränderte. "Ich hab dann sogar noch Eventmanagement mit ins Studium genommen. Das hat so einen Reiz für mich geweckt."
Mehr als nur ein Grill – eine Kulturrevolution
Wenn Jacqueline über ThüRos spricht, leuchten ihre Augen. Sie spricht nicht nur über Grills, sondern über eine Mission: die deutsche Grillkultur zu revolutionieren. "Bei uns wird das Grillen noch zelebriert", betont sie. "Du musst deine Glut beherrschen. Bei uns gehört wirklich noch dieses Erlebnis dazu – ich kann das, ich mach das selber."
Das Besondere an ThüRos? Die patentierten Kaminzuggrills basieren auf einer Beobachtung ihres Großvaters Ende der 80er Jahre in Thüringer Gärten. Selbstgebaute Grills, die so funktional waren, dass er dachte: "Das baue ich jetzt für jeden, dass er sich das kaufen kann."
Was daraus geworden ist, übertrifft alle Erwartungen: "Du kannst alles auf den Grill packen, was du möchtest. Ich habe schon Kuchen drauf gebacken, wir haben auch schon mal zum Weihnachtsmarkt Plätzchen drauf gebacken." Von der einfachen Bratwurst bis zur Pizza – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Ostdeutsche Innovation mit globaler Ausstrahlung
ThüRos beweist eindrucksvoll, was ostdeutsche Unternehmen leisten können. Mit nur 30 Mitarbeitern wirkt das Unternehmen deutlich größer, als es ist. "Das merkt man, wenn die Leute anrufen. Die fangen mit irgendwelchen Nummern an von ihrer Bestellung und dann sagen wir immer: Moment, ich bin kein Computer. Sagen Sie mir doch erstmal, was los ist."
Diese persönliche Note unterscheidet ThüRos von Großkonzernen. Und sie zahlt sich aus: Fast ein Drittel des Umsatzes wird digital generiert – ein beachtlicher Erfolg für ein Traditionsunternehmen aus Thüringen.
Besonders beeindruckend: Der internationale Erfolg. "Wir waren sogar sehr erfolgreich in Großbritannien", erzählt Jacqueline. "Brexit hat uns einen sehr großen Keil reingehauen. Da schmerzt einem so bisschen das Herz, weil der Partner auch wie ein guter Freund geworden ist, wie ein Teil der Familie."
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Nachhaltigkeit als DNA
Was ThüRos schon lange vor dem Nachhaltigkeitstrend auszeichnete: 25 Jahre Garantie auf ihre Edelstahlgrills. "Zu Beginn war es gar nicht so der Fokus", gibt Jacqueline zu, "sondern es wurde einfach gesagt: Wir möchten Qualität. Und Qualität heißt Edelstahl – ein nachhaltiger Rohstoff, der recycelt wird."
Diese Philosophie führt zu bewegenden Momenten: "Erst gestern kam ein älterer Herr zu uns und sagte: 'Den Grill habe ich schon über 20 Jahre, der ist immer noch top.' Dann erzählte er: 'Ich weiß noch, wie ich damals freitags mit den Kollegen stand, nach Feierabend, wo ich mir ein Ding selbst versucht habe zusammenzuschweißen und jetzt stehe ich hier und kann mir das kaufen.'"
Die Herausforderungen einer Wahlheimat
Der Weg war nicht immer einfach. Besonders 2022 stellte das Familienunternehmen vor harte Prüfungen. Nach dem Corona-Grillboom kam die Ernüchterung. "Gerade in so einem Jahr wie 2022, was wirklich anstrengend war – wenn die gesamte Familie mit drin hängt, hast du kaum die Möglichkeit, mal Luft zu holen", gibt Jacqueline ehrlich zu.
Doch sie hat gelernt, was viele ostdeutsche Unternehmer auszeichnet: "Nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn es mal kurzfristig blöd aussieht. Was schlecht ist oder ein schlechter Moment kann auch dazu führen, dass was danach besser wird."
Innovation trifft Tradition
ThüRos war bereits 1993 mit einer eigenen Website online – zu einer Zeit, als die meisten noch über das Internet lächelten. "Wir waren mit die ersten, die eine Webseite hatten", erzählt Jacqueline stolz. Diese Pionierarbeit zahlt sich heute aus.
Gleichzeitig investiert das Unternehmen kontinuierlich in moderne Produktionstechnik. "Wir haben über die Jahre immer mehr unseren Maschinenpark erweitert und haben so einen guten Mix aus Vollautomation, Halbautomation mit Mitarbeitern, aber auch noch im Manufakturcharakter."
Familie neu definiert
Als Wahlthüringerin bringt Jacqueline eine besondere Perspektive mit. Sie hat sich bewusst dafür entschieden, hier ihre Familie zu gründen. Ihre Kinder sind in Thüringen geboren – ein Symbol dafür, dass Ostdeutschland nicht nur Vergangenheit, sondern vor allem Zukunft ist.
"Wir versuchen zu trennen: Auf der Arbeit ist Arbeit, zu Hause ist zu Hause. Geht nicht immer jeden Tag, aber die Abgrenzung musst du haben", beschreibt sie die Balance zwischen Familie und Unternehmen.
Zukunft mit Herzblut
Jacquelines Vision geht weit über das reine Geschäft hinaus. Sie sieht ThüRos als Botschafter für eine neue ostdeutsche Unternehmergeneration: "In 100 Jahren steht jemand mit dem ThüRos Grill auf dem Mond – und der läuft immer noch!", scherzt sie.
Doch hinter diesem Scherz steckt eine tiefe Überzeugung: Qualität überdauert Trends, echte Werte setzen sich durch. Und manchmal braucht es Menschen wie Jacqueline Schneider, die sich bewusst für eine Region entscheiden und dort Wurzeln schlagen.
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Die Botschaft der Wahlheimat
Jacqueline Schneiders Geschichte zeigt: Ostdeutschland ist nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern vor allem ein Ort der Möglichkeiten. Es braucht Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden – nicht aus Mangel an Alternativen, sondern aus Überzeugung.
"Diese Grillkultur, wie das hier zelebriert wird – das hat seinen Reiz für mich gegeben", fasst sie zusammen. Aus diesem Reiz ist eine Leidenschaft geworden, aus der Leidenschaft ein Lebensentwurf.
ThüRos ist mehr als ein Unternehmen. Es ist der Beweis dafür, dass Ostdeutschland die Kraft hat, nicht nur Menschen zu halten, sondern sie zu begeistern. Jacqueline Schneider ist das lebende Beispiel einer neuen Generation von Wahlostdeutschen, die das Potenzial der Region erkannt haben und es mit Herzblut und Verstand weiterentwickeln.
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Sie wird von Menschen wie Jacqueline fortgeführt – Menschen, die verstanden haben, dass Heimat nicht nur dort ist, wo man geboren wird, sondern dort, wo man sich entscheidet zu bleiben und zu gestalten.