Dr. Knuth Baumgärtel: Warum langfristiges Denken Micro-Hybrid Electronic zum Weltmarktführer machte
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Es gibt Unternehmer, die schnelle Erfolge suchen. Und dann gibt es Dr. Knuth Baumgärtel. "Ich bin kein High-Flyer, sondern ein Long Distance Runner", sagt der Geschäftsführer der Micro-Hybrid Electronic GmbH aus Hermsdorf selbst über sich. Diese Philosophie hat sein Unternehmen zu einem globalen Marktführer in der Infrarot-Messtechnik gemacht – und zeigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn man in Ostdeutschland auf Nachhaltigkeit statt auf schnelle Gewinne setzt.
Der Mut zur Langfristigkeit
Während andere Unternehmen auf Quartalszahlen fixiert sind, lebt Baumgärtel ein anderes Credo: "Die Zukunft der Firma ist wichtiger als kurzfristiger Gewinn." Diese Haltung ist nicht nur Philosophie, sondern knallharte Geschäftsstrategie. Micro-Hybrid Electronic investiert über 12 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung – ein Wert, der selbst Hightech-Konzerne wie Zeiss (14 Prozent) in Reichweite bringt.
"Wir können als ostdeutsches Unternehmen nur dann erfolgreich sein, wenn wir wirklich einzigartige Produkte entwickeln", erklärt Knuth. "Wir sind kein Lohnfertiger, der etwas billiger produziert als andere. Unsere Existenzberechtigung liegt in unseren einzigartigen Vorteilen."
Diese Strategie zahlt sich aus: Die Sensoren von Micro-Hybrid überwachen heute in Echtzeit die Narkose bei Operationen, machen Züge sicherer durch Entgleisungsschutz und verbessern die Behandlung von Frühgeborenen in Inkubatoren. Produkte, die echten gesellschaftlichen Nutzen schaffen und Leben verbessern.
Vom Dickschicht-Pionier zum globalen Player
Die Erfolgsgeschichte beginnt 1992, als Werner Baumgärtel, Knuths Vater, gemeinsam mit dem bayerischen Unternehmer Karl Wißpeintner das Unternehmen gründete. Was heute selbstverständlich klingt, war damals revolutionär: eine echte Ost-West-Partnerschaft auf Augenhöhe. "Der Westen brachte Vertriebsexpertise und Marktkenntnisse mit, der Osten das technische Know-how", erklärt Knuth Baumgärtel. "Wir waren auf Weltstandsniveau, was diese keramische Dickschichttechnologie betrifft."
2006 übernahm Dr. Knuth Baumgärtel die Geschäftsführung – und trieb die Internationalisierung massiv voran. Ein Wendepunkt war die Erkenntnis, dass reine Technologieorientierung zu kurz greift. "Wir mussten den Sprung schaffen von der Technologie zur Anwendung", sagt er. "Nicht die Frage 'Wie funktioniert unser Sensor?' ist entscheidend, sondern 'Welches Problem lösen wir für den Kunden?'"
Diese kundenorientierte Denkweise führte dazu, dass Micro-Hybrid Electronic heute als weltweit einziger "All-in-one IR-Supplier" alle Projektphasen abdeckt – von der Konzeption über das Prototyping bis zur Serienproduktion. Mit Standorten in Deutschland, China und den USA bedient das Unternehmen Kunden auf drei Kontinenten.
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Innovation durch Vielfalt
Besonders beeindruckend ist Knuths Ansatz zur Teamführung. Als er das Unternehmen übernahm, war die Belegschaft noch sehr homogen geprägt. "Das waren alles Ostdeutsche mit ingenieurstechnischem Hintergrund – eine 'closed community'", erinnert er sich. "Vertrieb wurde noch als 'Absatz' verstanden, wie in DDR-Zeiten."
Seine Lösung: Wachstum als Chance für Diversität nutzen. "Über das Wachstum konnte ich neue Mitarbeiter einstellen und mit jedem neuen Mitarbeiter frische Ideen und Vielfalt ins Unternehmen bringen." Heute arbeiten bei Micro-Hybrid Electronic Menschen aus rund zehn Nationen zusammen – ein lebendiger Beweis dafür, dass Weltoffenheit und regionale Verwurzelung sich nicht widersprechen.
Der zweite Platz als Strategie
Überraschend ist Knuth Baumgärtels Einstellung zum Wettbewerb. "Wir sind einhellig der Meinung, dass der Zweite im Markt zu sein eigentlich besser ist", erklärt er eine ungewöhnliche Geschäftsstrategie. "Der First Mover hat oft Kinderkrankheiten, muss schnell gehen und macht Fehler. Als Zweiter können wir schauen: Was haben die schlecht gelöst? Was können wir fünf Prozent besser machen?"
Diese Strategie erfordert Geduld und Beobachtungsgabe – typische Eigenschaften eines "Long Distance Runners". Sie zahlt sich aber aus: "Es ist sogar so, dass du dann den ersten Anbieter bei dessen erstem Kunden verdrängst", berichtet Knuth aus der Praxis.
Mehr als nur Geschäfte
Was den Geschäftsführer besonders auszeichnet, ist sein Verständnis von unternehmerischer Verantwortung. Als Vizepräsident der IHK Ostthüringen, Mitglied im Business Angels Club Jena und Initiator des TRIDELTA Campus in Hermsdorf gestaltet er aktiv die wirtschaftliche Zukunft seiner Region mit.
"Mir ist wichtig, dass wir gemeinsam als Gesellschaft – Politik, Wirtschaft, Kultur – das Land entwickeln für eine gute Gesellschaft hier im Osten", betont er. Diese Haltung zeigt sich auch in der Unternehmensführung: familienfreundliche Gleitarbeitszeiten, Übernahme von Kita-Gebühren, betriebliche Altersvorsorge und eine Kultur, in der 91 Prozent der Mitarbeiter das Unternehmen weiterempfehlen würden.
Die ostdeutsche Perspektive
Bemerkenswert ist Knuth Baumgärtels globale Sichtweise auf ostdeutsche Unternehmen: "Wir dürfen uns keinesfalls nur in Relation zu Westdeutschland verstehen. Wir stehen im Wettbewerb mit der Welt." Diese Erkenntnis führt zu einer selbstbewussten Positionierung: Während andere noch über Ost-West-Unterschiede diskutieren, beliefert Micro-Hybrid Electronic längst Kunden in China, Japan und den USA.
Seine Forderung an die Politik ist klar: "Man sollte mehr auf erfolgreiche Unternehmen setzen und weniger immer mehr Institute aufbauen." Statt in Forschungsinfrastruktur zu investieren, sollten erfolgreiche Unternehmen gefördert werden, die nachweislich internationale Wettbewerbsfähigkeit besitzen.
Die Zukunft im Blick
Mit seinen Investitionen von 35 Millionen Euro seit 2016 und dem kontinuierlichen Ausbau der globalen Präsenz zeigt Micro-Hybrid Electronic, wie ostdeutsche Unternehmen erfolgreich sein können. Die Strategie ist einfach und wirkungsvoll: echte Probleme lösen, langfristig denken, in Menschen und Technologie investieren.
"Echte Dinge machen, die wirklich funktionieren", fasst Dr. Knuth Baumgärtel seine Philosophie zusammen. "Nicht nur versuchen, sondern wirklich schaffen. Das ist echte Freude und Zufriedenheit."
Ein Vorbild für die Region
Knuth und Micro-Hybrid Electronic beweisen: Ostdeutschland braucht keine Entschuldigung. Es braucht Unternehmer:innen, die langfristig denken, global agieren und dabei ihre regionale Verantwortung ernst nehmen. Unternehmer:innen, die zeigen, dass nachhaltiger Erfolg entsteht, wenn man echte Lösungen für echte Probleme entwickelt.
In einer Zeit, in der viele auf schnelle Erfolge setzen, ist Dr. Knuth Baumgärtels Ansatz revolutionär einfach: Geduld haben, kontinuierlich investieren und niemals vergessen, dass Unternehmen Teil einer Gesellschaft sind, die sie mitgestalten können und sollen. Das ist echter Unternehmergeist – made in Ostdeutschland.