Eine Stunde, die alles veränderte: Wie Jan Weigelt den Thüringer Wald neu erfand
Eine Stunde. Mehr brauchte Jan Weigelt nicht, um aus einer privaten Grundstückssuche ein Millionen-Projekt zu machen. Seine Geschichte zeigt, wie ostdeutsche Unternehmer mit privatem Mut schaffen, was traditionelle Finanzierung für unmöglich hält.
Ferienhaus Lichtung in Ruhla © ESH
Wenn aus zwei Häusern plötzlich 26 werden
Im Oktober 2012 flaniert Jan Weigelt über ein verwildertes 70.000-Quadratmeter-Gelände in Ruhla. 40 verfallene Bungalows, seit 20 Jahren dem Verfall preisgegeben. Was andere als Schandfleck sehen, erkennt der ehemalige Bankberater als Chance seines Lebens.
"Das war in dem Moment entstanden, wo wir das besichtigt haben. Das heißt, das ist innerhalb einer Stunde entstanden", beschreibt Jan den Moment seiner Lebensentscheidung. Aus der Suche nach einem privaten Grundstück für zwei kleine Ferienhäuser wird spontan der Plan für einen kompletten Ferienpark.
Diese spontane Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen. Heute, zwölf Jahre später, betreibt Jan die Ferienhaus Lichtung - einen der erfolgreichsten Ferienparks im Thüringer Wald mit 26 modernen Häusern, die durchweg ausgebucht sind.
Das Nein der Banken als Startschuss
Doch der Weg zum Erfolg war steinig. Besonders bitter: Die Absagen der etablierten Finanzwelt. "Tourismus geht ja nicht im Thüringer Wald. An der Ostsee gern, aber hier nicht", bekam Jan von den Banken zu hören. Selbst die Sparkasse Eisenach traf eine Vorstandsentscheidung: Dieses Projekt begleiten wir nicht.
Ein Armutszeugnis für die traditionelle Finanzlandschaft, wie sich heute zeigt. Denn was die Banken als aussichtslos bewerteten, entwickelte sich zu einem Magneten für Investoren und Urlauber gleichermaßen. "Ohne die Kontakte zu den Privatpersonen gäbe es das Projekt nicht", bilanziert Jan ehrlich.
Diese private Finanzierung erwies sich als Segen. Statt komplizierter Bankprozesse konnte Jan auf ein Netzwerk vertrauen, das an ihn und seine Vision glaubte. Menschen, die bereit waren, ihr eigenes Vermögen als Sicherheit einzusetzen, weil sie das Potenzial erkannten.
Vollgas von Mai bis Weihnachten
Was folgte, war ein logistisches Meisterwerk. Anfang Mai 2013 der Startschuss, Weihnachten sollten die ersten sieben Häuser bezugsfertig sein. Abriss der 40 Altbauten, komplette Neuerschließung mit Wasser, Strom und Abwasser, Bau der ersten Ferienhäuser - alles parallel.
"Es waren tatsächlich Urlauber da, die gebucht hatten. Die waren mal drei Wochen vorher da und haben gesagt, Leute, das wird nichts", erinnert sich Jan an die dramatischen letzten Wochen. Schlammwege, Baustelle überall, und trotzdem: Pünktlich zu Weihnachten konnten die ersten Gäste einziehen.
Diese Termintreue sollte zum Markenzeichen werden. Heute sind es 26 Häuser auf einem Gelände, das bewusst nicht maximal ausgenutzt wurde. "Wir wollen auch so ein bisschen hier unsere Heimat finden, haben wir gesagt, lieber weniger. Und das bleibt dann exklusiv."
Der Magnet für Großstädter
Was macht die Ferienhaus Lichtung so erfolgreich? Jan hat früh erkannt, wen er ansprechen will: "Wenn man aus der Stadt kommt, hier in einen Ort zu kommen, wo man seinen abgeschlossenen Bereich hat und auch mit der großen Glasfront, dass man plötzlich auch richtig Teilhabe hat."
Die Hauptzielgruppe kommt aus den Ballungszentren: Berlin, Stuttgart, Hamburg. Menschen, die echte Ruhe suchen und finden. Durch die bewusst großzügige Platzaufteilung hat jedes Haus seinen eigenen Bereich im Wald - Privatsphäre garantiert.
Das Konzept geht auf: Viele Gäste kommen über zehnmal. Die Stammkundenbasis ist so stark, dass Jan kaum noch aktiv werben muss. "Unsere Stammurlauber, die teilweise schon über zehnmal da waren, das ist eigentlich so das, wo wir dynamisch, aber auch verlässlich wachsen."
Drei Jahre Pause, dann der Neuanfang
Nicht alles verlief reibungslos. Nach acht Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit seinem Kompagnon entstanden unterschiedliche Auffassungen über die Parkführung. Jan entschied sich für eine dreijährige Auszeit vom eigenen Unternehmen.
Diese Zeit nutzte er, um in Ruhla Immobilien zu sanieren und zu vermieten. "Es gibt in Ruhla sehr viel alte Bausubstanz, auch günstige Bausubstanz", erklärt er pragmatisch. Eine Diversifikation, die sich auszahlte.
2024 kam die Wende: Jan übernahm die alleinige Geschäftsführung und kann nun seine Vision vollständig umsetzen. "Wieder mit neuem Schwung und neuen Ideen. Grundsätzlich wollen wir ja alles so lassen, wie es ist, aber trotzdem muss ja auch eine gewisse Weiterentwicklung erfolgen."
Die Philosophie des persönlichen Service
Was Jan heute anders macht? Er ist präsenter, persönlicher, nahbarer. "Ich nutze auch die Zeit, wenn ich früh genug anfange, schnell nochmal das Thema Buchhaltung zu machen", beschreibt er seinen Tag, der um 6 Uhr mit dem Brötchenholen für die Gäste beginnt.
Dieser persönliche Touch macht den Unterschied. "Diese kurzen Gespräche mit den Urlaubern - was man heute machen kann, wie das Wetter wird - darauf freue ich mich jetzt richtig. Früher war ich angespannt, weil noch eine Reparatur im Ferienhaus anstand. Heute nehme ich mir den Luxus und sage: Ich bin offen dafür, es interessiert mich und das macht richtig Spaß." Die Digitalisierung hat er nicht vergessen - mittlerweile gibt es sogar schnelles Internet über Glasfaser. Aber die menschliche Komponente bleibt zentral.
© ESH; Jan Weigelt (Mitte)
Leidenschaft als Erfolgsrezept
Jans Rat an potenzielle Nachahmer ist eindeutig: "Also erstmal brauchst du unglaublich viel Leidenschaft für das, was du tust. Und du musst von deinem Produkt erstmal auch selber überzeugt sein. Du musst es selber lieben."
Diese Authentizität spüren auch die Gäste. "Wir lieben das ja. Wir lieben diesen Ort und wir lieben das, was wir hier tun. Und wir mögen auch unsere Urlauber." Kein Marketing kann diese echte Begeisterung ersetzen.
Visionär für den Thüringer Wald
Jan denkt größer als nur seine 26 Häuser. Er engagiert sich in der "Lebensregion Wartburg-Rennsteig", einem privat finanzierten Marketingprojekt für die gesamte Region. "Was macht diese Region lebenswert? Weil wir hoffen ja, dass es durchaus auch mal Städter gibt, die nicht nur hier Urlaub machen, sondern auch hier herziehen."
Seine Vision: Junge Familien sollen entdecken, was der Thüringer Wald zu bieten hat. Arbeitsplätze gibt es, bezahlbarer Wohnraum auch. Was fehlt, ist oft nur der Mut zur Veränderung.
Die Zukunft gehört privaten Initiativen
Jans Geschichte ist symptomatisch für Ostdeutschland: Wo staatliche Förderung und traditionelle Finanzierung versagen, schaffen private Netzwerke und persönlicher Mut Realitäten. "Ich möchte ja, dass da Wachstum ist. Ich möchte, dass Unterkünfte entstehen und Gaststätten", sagt er über potenzielle Konkurrenz.
Diese Offenheit für Kooperation statt Konkurrenzdenken könnte der Schlüssel für die touristische Entwicklung der gesamten Region sein. Jan zeigt: Es geht, wenn man es richtig angeht.
Das Vermächtnis eines Visionärs
Nach zwölf Jahren kann Jan stolz auf seine Bilanz blicken: Ein nachhaltiges Unternehmen, das Arbeitsplätze schafft, die Region stärkt und Menschen glücklich macht. Kein einziger Investor hat das Projekt verlassen - ein starkes Vertrauensvotum.
"Wir wollen hier gepflegten Wald bieten. Wenn hier alles zuwächst, ist auch nicht mehr dieses Feeling. Wir wollen das erhalten, was wir haben und das in die nächste Generation tragen", fasst er seine Mission zusammen.
Die Ferienhaus Lichtung ist mehr als ein Ferienpark. Sie ist der Beweis dafür, dass ostdeutsche Unternehmer mit Vision, Mut und den richtigen Partnern Projekte schaffen können, die über die Region hinausstrahlen. Eine Inspiration für alle, die mehr sehen als nur verfallene Bungalows auf einem verwilderten Grundstück.