Wenn aus Erfurt die Schweiz erobert wird: Nicole Alexandra Weiser zeigt mit Aident, was ostdeutsche Tech-Power kann

© N. Weiser

 

Wie eine 27-jährige Kommunikationswissenschaftlerin mit ihrem 18-köpfigen Team Millionen-Projekte stemmt und dabei beweist, dass Ostdeutschland längst nicht mehr die "verlängerte Werkbank" ist.

"Wenn wir irgendwo sagen, wir kommen aus Erfurt, dann guckt uns jeder an." Diese Worte von Nicole Alexandra Weiser spiegeln eine Realität wider, die viele ostdeutsche Unternehmer kennen: Der Kampf um Anerkennung beginnt oft schon bei der Nennung des Firmenstandorts. Doch Nicole hat daraus eine Mission gemacht – und zeigt mit ihrer Aident GmbH, was passiert, wenn ostdeutsche Gründer ihre Stärken erkennen und konsequent ausbauen.

Von der Pub-Idee zum Microsoft-Partner

Die Geschichte der Aident GmbH beginnt klassisch unternehmerisch: Zwei junge Menschen, ein Pub in Erfurt, ein Bierdeckel und eine Idee. Was Nicole und ihr Geschäftspartner vor fünf Jahren skizzierten, war zunächst weit entfernt von dem, was das Unternehmen heute erfolgreich macht. Damals ging es um digitale Identitäten – ein innovatives Konzept, das jedoch in Deutschland an regulatorischen Hürden und dem Datenschutz-Dschungel scheiterte.

"Letztes Jahr haben wir dann gesagt, wir machen das, was wir wirklich richtig gut können – und das ist halt ERP und Microsoft Business Central." Dieser Satz markiert einen entscheidenden Wendepunkt. Anstatt krampfhaft an einer Idee festzuhalten, die nicht funktionierte, vollzog das Team einen radikalen Pivot. Eine Entscheidung, die Mut erforderte – und die sich als goldrichtig erweisen sollte.

Heute ist die Aident GmbH Microsoft-Partner und implementiert ERP-Systeme für Unternehmen in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit 15 Kunden in nur neun Monaten seit der Neuausrichtung und Projekten im Wert von 200.000 bis 700.000 Euro hat sich das Erfurter Team als ernstzunehmender Player im hart umkämpften ERP-Markt etabliert.

Die Kraft der internationalen Zusammenarbeit

Was Nicole besonders auszeichnet, ist ihre Fähigkeit, über den Tellerrand der regionalen Grenzen hinauszublicken. Ihr Team von 18 Mitarbeitern ist international aufgestellt: Kollegen in Serbien, ein Teammitglied auf Korfu, und die interne Kommunikation läuft komplett auf Englisch. "Wenn man sich auf die Menschen einlässt und ihnen zuhört und gemeinsam an etwas arbeitet, dann ist das sehr bereichernd und erfolgsversprechend, weil es einfach eine andere Motivation gibt und einen anderen Blick auf die Dinge."

Diese internationale Perspektive ist kein Zufall. Nicole studierte interkulturelle Wirtschaftskommunikation – ein Fach, das heute täglich in ihrem Berufsalltag zum Tragen kommt. Während viele IT-Gründer rein technisch denken, bringt sie die seltene Kombination aus Kommunikationsexpertise und technischem Verständnis mit. Ein Alleinstellungsmerkmal, das in der Beratungsbranche Gold wert ist.

KI als Effizienz-Booster, nicht als Job-Killer

In Zeiten, in denen über Künstliche Intelligenz als Jobvernichter diskutiert wird, hat Nicole eine erfrischend pragmatische Sicht: "Ich bräuchte trotzdem alle. Der Unterschied ist nur, wie schnell sind die Leute." Ihre Entwickler nutzen KI-Tools für Code-Reviews, Übersetzungen und Standardprozesse. Das Ergebnis: Statt acht Stunden brauchen sie nur noch fünf oder sechs für denselben Code.

Aber es geht um mehr als reine Effizienz. "Das Zufriedenheitslevel der Leute ist höher geworden, weil es macht Spaß - unsere Leute haben Spaß daran, solche neuen Dinge auszutesten." Nicole zeigt, wie moderne Technologie richtig eingesetzt wird: nicht als Ersatz für Menschen, sondern als Werkzeug, das Teams schneller und zufriedener macht.

Der dreifache Kampf um Anerkennung

Nicole steht vor einer besonderen Herausforderung: "Du gehörst zur Generation Z, und jetzt kommt noch dazu, dass du aus Ostdeutschland bist, wo man Ostdeutschen Unternehmern sowieso etwas weniger zuhört. Und dann noch mal die Generation Z, der man dann noch weniger zuhört." Jung, weiblich, ostdeutsch – drei Faktoren, die in der traditionellen Geschäftswelt oft Skepsis auslösen.

Doch anstatt sich davon entmutigen zu lassen, nutzt Nicole diese vermeintlichen Nachteile als Motivation. "Natürlich muss man dafür kämpfen, dass jemand einem zuhört. Klar macht da wahrscheinlich auch das Alter eine Rolle und dann als Geschäftsführerin guckt sich jeder erstmal an so echt jetzt." Ihre Antwort darauf: Durch Leistung überzeugen und dabei authentisch bleiben.

Erfurt als bewusste Entscheidung

Besonders bemerkenswert ist Nicoles bewusste Entscheidung für den Standort Erfurt. Obwohl sie Angebote aus München und Leipzig hatte, inklusive Förderungen und Boni, blieb sie ihrer thüringischen Heimat treu. "Es ist auch irgendwie so eine Herzensangelegenheit zu sagen, wir wollen zu Hause gründen. Das ist so hier unsere Heimat, wir wollen hier etwas schaffen."

Diese Entscheidung ist mehr als sentimentale Heimatverbundenheit. Sie ist ein Statement dafür, dass erfolgreiche Tech-Unternehmen nicht zwangsläufig in Berlin oder München sitzen müssen. Erfurt bietet Lebensqualität, bezahlbaren Wohnraum und eine wachsende Tech-Szene – Faktoren, die für viele Fachkräfte attraktiver sind als der Stress der Großstadt.

Die ostdeutsche Bescheidenheit als Hürde

Einen kritischen Punkt spricht Nicole offen an: "Wir sind zu bescheiden und es ist manchmal schwer, aus einer Komfortzone rauszukommen. Vor allen Dingen dann, wenn das Familienunternehmen sind, seit 40 oder 60 Jahren existieren." Diese Bescheidenheit, tief verwurzelt in der ostdeutschen Mentalität, wird zur Bremse für wirtschaftlichen Erfolg.

Nicole fordert ein Umdenken: "Ich glaube, wir reden viel zu wenig darüber in Thüringen, was wir eigentlich können, was wir machen und welche Unternehmen wir hier überhaupt haben." Es reicht nicht mehr, gute Arbeit zu leisten – man muss auch darüber reden. Eine Lektion, die Nicole selbst konsequent umsetzt.

Vision für die ostdeutsche Wirtschaft

Trotz aller Herausforderungen ist Nicole optimistisch: "In Thüringen wird oft unterschätzt, hier gibt es wirklich tolle Firmen, die tolle Sachen machen und vor allen Dingen auch innovativ sind. Es geht halt selten über die Grenzen von Thüringen hinaus." Ihr Unternehmen ist ein lebender Beweis dafür, dass diese Grenzen überwindbar sind.

Die Aident GmbH plant bereits die nächsten Schritte: Ab Ende des Jahres beginnt das aktive Recruiting, neue Märkte werden erschlossen, und die eigenen Produkte – Apps wie Aident Print und Aident Web Connect – werden weiterentwickelt. Nicole zeigt, dass nachhaltiges Wachstum möglich ist, ohne die regionalen Wurzeln zu kappen.

 
 

Was wir von Nicole lernen können

Nicole Alexandra Weisers Geschichte ist mehr als eine Erfolgsgeschichte eines Tech-Unternehmens. Sie zeigt, was passiert, wenn man:

  • Flexibilität über Starrsinn stellt: Der Pivot von digitalen Identitäten zu ERP-Systemen rettete das Unternehmen

  • Internationale Perspektiven nutzt: Ein globales Team bringt frische Ideen und neue Märkte

  • Technologie richtig einsetzt: KI als Werkzeug zur Mitarbeiterzufriedenheit, nicht als Jobkiller

  • Authentisch kommuniziert: Ehrlichkeit über Herausforderungen schafft Vertrauen

  • Heimat als Stärke versteht: Regionale Verwurzelung kann ein Wettbewerbsvorteil sein

© ESH

Der Blick nach vorn

"Man muss darüber reden, was man macht" – dieser Satz fasst Nicoles Botschaft an die ostdeutsche Unternehmerlandschaft zusammen. Es reicht nicht mehr, im Stillen erfolgreich zu sein. Die Zeit der Bescheidenheit muss enden, wenn Ostdeutschland seine wirtschaftliche Zukunft selbst gestalten will.

Nicole Alexandra Weiser macht es vor: Mit 27 Jahren führt sie ein internationales Tech-Unternehmen, stemmt Millionen-Projekte und zeigt dabei, dass Erfurt genauso gut ein Headquarter sein kann wie München oder Berlin. Sie ist das lebende Beispiel dafür, dass die nächste Generation ostdeutscher Unternehmer:innen bereit ist, die Zukunft zu gestalten – und dabei stolz auf ihre Herkunft zu sein.

Nicole Alexandra Weiser war zu Gast im EASTSIDE HEROES Podcast. Mehr Geschichten von ostdeutschen Unternehmerpersönlichkeiten findest du auf eastside-heroes.de

 

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Sebastian Meier

Als Brückenbauer zwischen Innovation und Tradition prägt Sebastian Meier die Zukunft des ostdeutschen Unternehmertums. Seine außergewöhnliche Expertise wurzelt in zwei Welten: Als ehemaliger Leiter des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen erkannte er die Bedeutung starker Netzwerke und brachte erstmals die relevanten Akteure der Gründungsszene an einen Tisch. Diese neugeschaffenen Synergien zwischen Wirtschaft, Forschung und Förderung wirken bis heute nach. Als Gründer führte er selbst die myGermany GmbH von der Startup-Vision zum erfolgreichen internationalen Bestandsunternehmen.

Diese einzigartige Kombination aus Startup-DNA und Institutionserfahrung macht ihn zum gefragten Sparringspartner für Unternehmer und Innovatoren. Mit EASTSIDE HEROES verfolgt er heute eine klare Mission: Die Transformation Ostdeutschlands zum dynamischen Wirtschaftsstandort der Zukunft. Sein 15 Jahre aufgebautes Netzwerk aus über 500 aktiven Unternehmenskontakten nutzt er, um etablierte Player mit innovativen Scale-ups zu verbinden und echte Wertschöpfung zu generieren.

Als Nerd für Künstliche Intelligenz und Automatisierung berät Sebastian regelmäßig Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation.

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