Unternehmer Sebastian Mertens: Der Mann, der mit Rackchecker Sprinkler rettet
In einer Industriehalle in Nohra bei Erfurt wird Geschichte geschrieben. Nicht die große, die in Geschichtsbüchern steht, sondern die kleine, die Unternehmen Millionen spart und Arbeitsplätze schafft. Sebastian Mertens steht zwischen Regalen und Prototypen und erzählt, wie aus einer simplen Beobachtung ein europäisches Patent wurde. Seine Geschichte zeigt, dass Innovation nicht immer in Silicon Valley entsteht - manchmal reicht eine thüringische Industriehalle.
Der Zufall, der alles veränderte
Es war ein normaler Arbeitstag bei CATL, dem chinesischen Batteriehersteller in Erfurt. Sebastian Mertens stand mit dem Einkäufer im Lager, als es passierte: Ein Gabelstapler touchierte einen Sprinklerkopf. Binnen Sekunden schossen 6.000 Liter Wasser pro Minute ins Lager. Der Einkäufer schaute Mertens an: "Das ist jetzt das dritte Mal. Überlegt euch mal eine Lösung."
In diesem Moment wurde aus dem Logistikexperten ein Erfinder. Mertens wusste: Ein einziger Sprinkler-Unfall kostet Unternehmen Hunderttausende Euro - durch Wasserschäden, Stillstandszeiten und Feuerwehreinsätze. Das Problem war real, die Lösung fehlte.
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Sieben Prototypen bis zur Perfektion
Zurück in seiner Werkstatt begann Sebastian zu tüfteln. Sieben Prototypen baute er, fuhr sie absichtlich mit dem Gabelstapler an, testete Materialien und Winkel. Sachversicherer gaben Input, Kunden testeten die ersten Versionen. Am 16. Juli 2024 kam das europäische Patent: "Anfahrschutz für ein Lastenregal" - offiziell. Inoffiziell: der Rackchecker Sprinklerschutz, der heute 30 Prozent seines Umsatzes ausmacht.
Die Entwicklung zeigt Sebastian Mertens' pragmatischen Ansatz. Während andere endlos planen, baut er Prototypen. "Einfach mal einen Stein werfen und gucken, was passiert", beschreibt er seine Philosophie. Diese Trial-and-Error-Mentalität unterscheidet Macher von Denkern.
Vom Angestellten zum Unternehmer mit 40
Sebastians' Weg war nicht linear. Nach dem Logistik-Studium sammelte er Erfahrungen bei Rhenus, Lindig und Jungheinrich. 15 Jahre Berufserfahrung, eine solide Karriere, Sicherheit. Dann, 2021, der Sprung: Gründung der Rackchecker GmbH. "2020 war es dann so, wo ich gesagt habe, gut, jetzt wage ich den Schritt."
Corona als Katalysator - während andere zögerten, sah er die Chance. "Jetzt kann ich ja auch mit dem Unternehmen von Null starten", dachte er sich. Die Pandemie schuf paradoxerweise ideale Gründungsbedingungen: niedrige Erwartungen, wenig Konkurrenz, Zeit zum Aufbau.
Die Kraft der persönlichen Beziehungen
Rackchecker verkauft nicht nur Produkte, sondern Sicherheit. Und Sicherheit verkauft sich schlecht am Telefon. Sebastian Mertens' Strategie: persönlicher Kontakt. "Wenn wir das Angebot nur plump rausgeschickt haben per Mail, war die Erfolgschance überschaubar. In dem Moment, wo wir in eine menschliche Ebene gefunden haben, war eigentlich der Auftrag fast sicher."
Diese Erkenntnis prägt sein gesamtes Geschäftsmodell. Statt auf Masse setzt er auf Klasse, statt auf Automatisierung auf Authentizität. Seine Kunden sind keine Nummern, sondern Partner. Das Ergebnis: Langfristige Beziehungen und Weiterempfehlungen.
Thüringen als Standortvorteil
Während andere aus Ostdeutschland wegziehen, macht Mertens seine Herkunft zum Markenzeichen. Nach einem kurzen Ausflug ins Ruhrgebiet kehrte er bewusst zurück: "Man muss erstmal rausgehen, um zu wissen, wie schön es eigentlich zu Hause ist."
Thüringen bietet ihm ideale Bedingungen: zentrale Lage, niedrige Kosten, kurze Wege. Das Erfurter Kreuz ist Deutschlands größtes Autobahn-Kreuz, CATL investiert 1,8 Milliarden Euro am Standort. Sebastian profitiert von dieser Entwicklung und trägt gleichzeitig dazu bei.
Der Netzwerker mit Herzblut
Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Logistik Netzwerk Thüringen zeigt Mertens, wie Engagement funktioniert. Nicht aus Kalkül, sondern aus Überzeugung. "Du merkst, die Leute saugen alles auf, was dort erzählt wird", beschreibt er die Netzwerk-Veranstaltungen.
Sein Sponsoring der Basketball Löwen Erfurt entspringt persönlicher Erfahrung. Als Leistungssportler im Kugelstoßen fehlte ihm damals Unterstützung. Heute gibt er Nachwuchstalenten den Rückenwind, den er sich gewünscht hätte. Authentisches Engagement, das über reines Marketing hinausgeht.
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Innovation aus der Praxis
Rackchecker zeigt, wie Innovation heute funktioniert: nicht in sterilen Laboren, sondern in echten Betrieben. Sebastian Mertens' Ideen entstehen aus Kundengesprächen, nicht aus Marktforschung. Seine Lösungen sind simpel, aber effektiv.
Das Unternehmen entwickelt sich organisch. Aus dem Handel mit Drahtgitterböden wurde ein Service-Anbieter für Lagertechnik. Aus einem Problem entstand ein Patent. "Daraus entwickelt sich immer das nächste", beschreibt Mertens die Evolution seines Geschäfts.
Die ostdeutsche Erfolgsformel
Sebastian verkörpert eine neue Generation ostdeutscher Unternehmer: selbstbewusst, aber nicht arrogant; innovativ, aber bodenständig; global denkend, aber regional verwurzelt. Seine "ostdeutsche Bescheidenheit" ist dabei Stärke, nicht Schwäche. Kunden schätzen seine ehrliche Art.
Seine Arbeitsphilosophie ist simpel: "Ich brauche eigentlich einen Job, wo ich mich freitags auf montags freue." Diese intrinsische Motivation treibt ihn an, auch in schwierigen Phasen. Unternehmertum als Berufung, nicht als Broterwerb.
Blick in die Zukunft
Der Sprinklerschutz ist erst der Anfang. Mertens arbeitet bereits an neuen Ideen, die er noch nicht verraten will. Die Automatisierung der Logistik sieht er nicht als Bedrohung, sondern als Chance für neue Lösungen.
Seine Vision: Rackchecker als Synonym für sichere Intralogistik. Nicht nur in Deutschland, sondern international. Das Patent ist europaweit gültig, die ersten Anfragen aus dem Ausland kommen bereits. Ein thüringisches Unternehmen mit globalen Ambitionen.
Der Mut zum ersten Schritt
Sebastian Mertens zeigt, dass Erfolg machbar ist - auch ohne Risikokapital, auch ohne Silicon Valley-Glamour. Seine Geschichte ist eine Ermutigung für alle, die Ideen haben, aber zögern. "Dass es manchmal den Mut braucht, es einfach zu machen", fasst er zusammen.
In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz und Digitalisierung dominieren, beweist er: Menschliche Kreativität und praktische Problemlösung bleiben unverzichtbar. Innovation entsteht nicht durch Algorithmen, sondern durch Menschen, die Probleme erkennen und Lösungen entwickeln.
Die Industriehalle in Nohra ist mehr als ein Produktionsstandort. Sie ist ein Symbol für das neue Ostdeutschland: selbstbewusst, innovativ und bereit für die Zukunft. Sebastian Mertens macht es vor - einer nach dem anderen folgt seinem Beispiel.