Mice Desk-Erfolg: Was passiert, wenn ein Krisenprofi die Hotellerie digitalisiert

© ESH & Bernd Fritzges

Von der BSE-Krise bis zur Corona-Pandemie: Wie ein Berliner in Leipzig seine Liebe findet und dabei die Event-Branche revolutioniert.

Wenn Krisen zu Sprungbrettern werden

Stell dir vor, du bist 25 Jahre alt, betreibst Steakhäuser und plötzlich beherrscht die BSE-Krise die Schlagzeilen. Die Medien warnen vor Rindfleisch, die Gäste bleiben weg. Was machst du? Bernd Fritzges hat eine Antwort darauf - und sie klingt nach purem Unternehmermut: "Jede Krise, die man durchstanden hat, macht einen stärker. Was soll jetzt noch kommen? Das nächste muss ja der Weltuntergang werden, dass mich das noch erschüttert."

Diese Philosophie zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des in Hamburg geborenen Unternehmers, der heute von Leipzig aus die MICE-Branche revolutioniert. Mit seinem Unternehmen Mice Desk hat er ein Problem gelöst, das Millionen kostet und trotzdem jahrelang ignoriert wurde: die katastrophale Ineffizienz in der Hotellerie bei der Bearbeitung von Veranstaltungsanfragen.

Das Erbe einer Gastronomielegende

Bernd Fritzges' Geschichte beginnt nicht erst mit seinem ersten Unternehmen. Sie startet in den Ballsälen seines Großvaters in Hamburg und den Restaurants seines Vaters in West-Berlin. "Ich hatte schon einen Smoking, bevor ich in die Schule kam", erzählt er mit einem Lächeln. Während andere Kinder Spielzeugautos sammelten, lernte er bereits im Alter von fünf Jahren, wann man die Hand für Trinkgeld aufhält.

Diese frühe Prägung war mehr als nur Familientradition - sie war eine Masterclass in Gastfreundschaft und Geschäftssinn. "Mein Vater hat mich mitgenommen zu Verhandlungen. Als kleiner Junge habe ich das nicht verstanden, aber es prägt einen natürlich." Das Ergebnis: Mit 18 Jahren wurde er geschäftsführender Gesellschafter eines Unternehmens mit über 60 Mitarbeitern und einer Veranstaltungsfläche für 10.000 Teilnehmer.

Leipzig: Liebe auf den zweiten Blick

Die Entscheidung für Leipzig als Unternehmensstandort war alles andere als strategisch geplant. "Es ist auch eine witzige Geschichte, wie wir nach Leipzig gekommen sind", schmunzelt Fritzges. Was als zufällige Begegnung während der Corona-Zeit begann, entwickelte sich zur großen Liebe: "Leipzig ist für mich die schönste Stadt in Deutschland. Wenn ich mir aussuchen müsste, in welcher Stadt ich leben möchte, dann wäre es Leipzig."

Diese Entscheidung eines "reinrassigen Westdeutschen" für den Osten ist mehr als symbolisch. Sie zeigt, dass Innovation und Unternehmertum keine Postleitzahl kennen. Heute beschäftigt Mice Desk über 50 Mitarbeiter in Leipzig und trägt aktiv zur Stärkung des ostdeutschen Wirtschaftsstandorts bei.

Das 120-Milliarden-Problem

Um zu verstehen, was Fritzges antreibt, muss man zunächst das Problem verstehen, das er löst. MICE - das steht für Meetings, Incentives, Conventions und Events - ist ein gigantischer Markt. "Man spricht im MICE-Segment nur im deutschen Markt von 120 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr", erklärt er. "Weltweit sind es 1,4 Billionen."

Doch trotz dieser enormen Wirtschaftskraft krankt die Branche an einem fundamentalen Problem: Hotels sind hoffnungslos überfordert mit der Bearbeitung von Veranstaltungsanfragen. "Die Erwartungshaltung eines Kunden ist, dass du innerhalb von 24 Stunden dein Angebot erhältst. Als wir gestartet sind, waren es nicht 24, sondern 91 Stunden im Durchschnitt."

Stell dir vor: Ein Unternehmen möchte eine wichtige Tagung organisieren, stellt am Mittwoch eine Anfrage und bekommt erst in der darauffolgenden Woche eine Antwort. In einer Zeit, in der wir alle an sofortige Reaktionen gewöhnt sind, ist das nicht nur frustrierend - es kostet Geschäft.

Die 15-fache Revolution

Hier kommt Mice Desk ins Spiel. Fritzges und sein Team haben den Convention Sales Prozess in 34 Unterschritte zerlegt, jeden einzelnen analysiert und optimiert. Das Ergebnis? "Mit unserer Softwarearchitektur können wir bis zu 15 mal schneller sein, als es ein Mitarbeiter tun kann."

Aber das ist nicht nur ein Technologie-Spielzeug. "Anders als irgendeine IT-Firma, die den Schmerz nicht spürt und nie im operativen Doing ist, spüren wir den Schmerz", betont Fritzges. Seine über 50 Convention Sales Manager sind allesamt Branchenprofis, die genau wissen, wo der Schuh drückt.

Die Lösung verbindet menschliche Expertise mit KI-gestützter Automatisierung. Während andere Unternehmen entweder auf reine Technologie oder pure Dienstleistung setzen, hat Mice Desk den Sweet Spot gefunden: Effizienz durch Innovation, aber mit dem menschlichen Touch, der in der Hospitality unverzichtbar ist.

Von der Vision zur Realität

Was besonders beeindruckt: Fritzges sammelt keine Krisen wie Pokémon-Karten, er macht das Beste daraus. Als die Corona-Pandemie die gesamte Veranstaltungsbranche lahmlegte, sah er die Chance. "Im Pandemiejahr haben wir über 1800 Veranstaltungen platziert, während andere aufgegeben haben. Da ist die Idee für Mice Desk entstanden."

Seine Superkraft? "Ich antizipiere sehr gut Dinge. Ich habe sehr frühzeitig eine konkrete Vorstellung davon, was nächstes oder übernächstes Jahr eintreten wird." Diese Gabe zur Antizipation macht ihn zum idealen Krisennavigator und Zukunftsarchitekten.

Investoren-Poker mit Happy End

Der Weg zur Finanzierung liest sich wie ein Märchen für Start-ups. "Wir hatten nur acht Investoren angeschrieben. Von den acht haben wir eine Absage bekommen." Das Ergebnis: Eine siebenstellige Investition von D11Z Ventures (dem Family Office von Lidl-Gründer Dieter Schwarz) und Scalehouse Capital.

"Hinterher haben uns unsere Investmentmanager gesagt, ihr seid das erste Start-up, was in dieser Investmentphase noch Kunden gewonnen hat. Das kennen wir sonst gar nicht." Ein Beweis dafür, dass echte Probleme echte Lösungen verdienen - und Investoren das zu schätzen wissen.

KI: Bedrohung oder Hoffnung?

Fritzges hat eine klare Haltung zur Künstlichen Intelligenz: "Jeder, der in unserem Bereich weiterhin arbeiten möchte, muss sich mit dem Thema auseinandersetzen - LLM-Systeme, Agent-AI. Das geht viel, viel schneller als die meisten im Moment noch denken."

Seine Vision ist nicht die Automatisierung um jeden Preis, sondern die intelligente Symbiose zwischen Mensch und Maschine. Bei Mice Desk übernimmt KI die repetitiven Aufgaben, während erfahrene Profis die komplexen, zwischenmenschlichen Aspekte managen.

Die Zukunft neu denken

"Ohne wirtschaftlichen Druck würde ich mir das raussuchen, wo ich nur Freude habe und wo ich auch etwas tun kann zum Nutzen der Menschen", reflektiert Fritzges über seine Zukunft nach einem möglichen Exit. Diese Aussage verrät mehr über ihn als jede Bilanz: Es geht ihm nicht nur ums Geldverdienen, sondern um sinnstiftende Innovation.

Seine Vision für die nächsten fünf Jahre ist klar: Internationalisierung. "Wir sind jetzt in der Phase, dass wir im deutschsprachigen Markt zum führenden Anbieter werden. Dann steht das Thema Internationalisierung an."

Warum diese Geschichte wichtig ist

Bernd Fritzges verkörpert eine neue Generation von Unternehmern, die Tradition mit Innovation verbinden. Er zeigt, dass man nicht in Berlin oder München sein muss, um Weltklasse-Unternehmen zu bauen. Leipzig, Ostdeutschland - hier entstehen die Lösungen von morgen.

Seine Geschichte ist ein Plädoyer für mutiges Unternehmertum, für den Blick nach vorn statt zurück, für Lösungen statt Probleme. In einer Zeit, in der viele über Herausforderungen klagen, macht er vor, wie man sie in Chancen verwandelt.

Die Lektion von Bernd Fritzges: Krisen sind nicht das Ende der Geschichte - sie sind der Anfang der nächsten. Wer das versteht und entsprechend handelt, schreibt nicht nur Unternehmensgeschichte, sondern gestaltet die Zukunft einer ganzen Branche.

Bernd Fritzges und Mice Desk zeigen: Die ostdeutsche Wirtschaft ist längst nicht mehr nur Zukunftsmusik - sie ist die Zukunft. Hier entstehen die Lösungen, die Deutschland braucht.

 

Empfohlener Artikel

Sebastian Meier

Als Brückenbauer zwischen Innovation und Tradition prägt Sebastian Meier die Zukunft des ostdeutschen Unternehmertums. Seine außergewöhnliche Expertise wurzelt in zwei Welten: Als ehemaliger Leiter des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen erkannte er die Bedeutung starker Netzwerke und brachte erstmals die relevanten Akteure der Gründungsszene an einen Tisch. Diese neugeschaffenen Synergien zwischen Wirtschaft, Forschung und Förderung wirken bis heute nach. Als Gründer führte er selbst die myGermany GmbH von der Startup-Vision zum erfolgreichen internationalen Bestandsunternehmen.

Diese einzigartige Kombination aus Startup-DNA und Institutionserfahrung macht ihn zum gefragten Sparringspartner für Unternehmer und Innovatoren. Mit EASTSIDE HEROES verfolgt er heute eine klare Mission: Die Transformation Ostdeutschlands zum dynamischen Wirtschaftsstandort der Zukunft. Sein 15 Jahre aufgebautes Netzwerk aus über 500 aktiven Unternehmenskontakten nutzt er, um etablierte Player mit innovativen Scale-ups zu verbinden und echte Wertschöpfung zu generieren.

Als Nerd für Künstliche Intelligenz und Automatisierung berät Sebastian regelmäßig Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation.

Profitiere von Sebastians einzigartigem Netzwerk und Erfahrungsschatz: Verbinde dich jetzt auf LinkedIn und werde Teil einer neuen Generation erfolgreicher ostdeutscher Unternehmer.

www.linkedin.com/in/eastsideheroes

Weiter
Weiter

KI als Chance: Warum Ostdeutschland bei der digitalen Revolution vorne mitspielt - AIUI zeigt den Weg