Crossworx Cycles: “Made in Rudolstadt, gefahren in Kalifornien” – Wie zwei Thüringer die Bike-Welt aufmischen

Wenn man Kevin Dewinski und Christoffer Reichling von crossworx cycles trifft, merkt man ziemlich schnell: Hier geht es nicht nur um Fahrräder. Es geht um Präzision, Leidenschaft und ein unternehmerisches Mindset, das zwischen handfestem Maschinenbau und globalem Markenaufbau oszilliert. Und all das beginnt – wie so oft – in einer Garage.

Die Gründer Kevin Dewinski und Christoffer Reichling in ihrer Werkstatt. © Crossworx

Vom Hobby zum Hightech-Handwerk

„Ich bin mein erstes Downhill-Rennen mit 17 gefahren – 51. Platz von 54. Das hat mich geärgert“, sagt Kevin. Was danach kommt, ist eine Story zwischen Weltcup-Strecken und CAD-Software: Beide Gründer haben in Ilmenau studiert, Kevin fuhr professionell Rennen, Chris konstruierte zu dieser Zeit bereits Rahmen – unter anderem für den renommierten Hersteller Nicolai. „Ich hab dort meine Bachelorarbeit geschrieben und den gesamten handwerklichen Prozess gelernt“, erzählt Chris.

Ihr Weg zur eigenen Marke war kein Businessplan aus der Schublade, sondern ein Prozess, getrieben von technischem Ehrgeiz und der Lust, das perfekte Rad zu bauen – für sich selbst. Die ersten Prototypen entstanden bei Chris’ Eltern im Keller. Einer verbog sich nach drei Kilometern. Kein Witz. Trotzdem machten sie weiter.

Lokal statt billig – die Entscheidung gegen Asien

Während 95 % der Fahrradrahmen weltweit in Asien gefertigt werden, entschieden sich Kevin und Chris bewusst dagegen. Nicht aus Nostalgie, sondern aus Überzeugung. „Du brauchst in Asien riesige Mindestmengen, Zollprozesse, Werkzeugkosten – das kannst du als kleines Team einfach nicht effizient stemmen“, sagt Chris. Außerdem wollten sie nicht von Container-Lieferzeiten oder globalen Krisen abhängig sein. Also bauten sie ihre Rahmen selbst – in Thüringen, in Eigenregie, mit Know-how aus Studium und Rennsport.

Heute sind sie damit nicht nur ein Nischenphänomen, sondern ein Statement. „Made in Germany“ zieht wieder, sagen sie – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Singapur, Hongkong und Kalifornien.

Kundenbeziehung statt Conversion Funnel

Ihr Business-Modell ist ungewöhnlich direkt: Über einen Konfigurator können Kund:innen ihr Wunschbike in verschiedenen Farben und Ausstattungen zusammenstellen – von der Federgabel bis zur Lackierung. Doch was danach passiert, macht den Unterschied: „Wir reden mit jedem Kunden – per Mail, Telefon, WhatsApp“, erklärt Kevin. Das Ziel: sicherstellen, dass das Bike auch wirklich zu Fahrstil, Größe und Einsatzzweck passt.

Und es funktioniert. Einer ihrer ersten Kunden hat inzwischen vier Räder gekauft – von Gravel bis E-Bike. Ein Satz von Kevin bleibt hängen:
„Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt – nicht das Produkt.“

Während andere Startups in Ads investieren, setzen crossworx auf echte Erlebnisse. Rideouts in der Region, offene Werkstatttage, Testival-Wochenenden. „Wir sind oft noch sehr online unterwegs, aber offline noch kaum sichtbar – das wollen wir ändern“, sagt Chris. Die Idee: Nähe schaffen, Emotionen wecken. Und genau das funktioniert im Bikesegment: Menschen, die ihre Leidenschaft teilen, erzählen weiter.

Gleichzeitig sehen sie Potenzial, stärker mit Hochschulen wie der TU Ilmenau oder der Bauhaus-Uni Weimar zu arbeiten – sei es für Technik, Medien oder Marketing. „Da steckt so viel Kreativität drin – das muss man nur mal anzapfen.“

Ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch das Gespräch: Kapitalbeschaffung. Trotz nachweisbarem Markt, wachsenden Bestellungen und globalem Interesse haben die beiden nie einen Bankkredit bekommen. „Für unser Haus hab ich schneller Geld bekommen als für die Firma“, sagt Kevin. Der Grund? Bürokratie, fehlendes Risikoverständnis, oft kein unternehmerischer Blick auf Potenziale.

„Wir haben dann einfach Freunde gefragt – und glücklicherweise zwei private Darlehen bekommen“, ergänzt Chris. Beide sind inzwischen zurückgezahlt, doch die Lektion bleibt: Ohne Netzwerk wird’s schwer – besonders im Osten.

Crossworx ist kein typisches Digitalunternehmen. Und doch agieren sie digitaler als viele Mittelständler: Konfigurator, Onlinevertrieb, CRM über persönliche Kontakte. Ihre größte Marketing-Herausforderung? Reichweite. „Google Ads hat bei uns nie wirklich funktioniert – die Leute suchen nicht aktiv nach uns, sie müssen uns entdecken“, sagt Kevin.

Was fehlt, ist eine Push-Strategie: Storytelling, Influencer, vielleicht sogar YouTube-Formate. Gleichzeitig wollen sie sich nicht verbiegen: „Wir könnten viel mehr rausholen, aber wir wollen nicht in dieses Lautsein verfallen, was viele Startups machen. Es soll echt bleiben.“

Vision 2025: Radscheune, Testhügel, Erlebnis-Ort

Was als Garagenprojekt begann, wächst. Aktuell sitzen sie noch im Gründerzentrum Rudolstadt – bald ziehen sie in einen alten Hof im Nachbarort. Eine Scheune wird zur Produktionsstätte, der Hang dahinter zur Teststrecke. Die Vision: Kunden kommen vorbei, fahren Probe, erleben die Marke.

„Kaffee, Bike, Testfahrt – das Ganze soll eine Experience werden“, sagt Chris. Fast wie ein kleines Festival – nur eben das ganze Jahr über. crossworx ist ein Paradebeispiel dafür, was möglich ist, wenn man Produktliebe, technisches Können und unternehmerischen Mut vereint. Es ist eine Marke, die den Osten nicht nur als Standort nutzt, sondern als Identität begreift. Eine Firma, die nicht auf schnellen Exit, sondern auf echtes Wachstum setzt.

 

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Moritz

Moritz ist Mitgründer von EASTSIDE HEROES und der E-Commerce-Marke “No Coffee”. Zuvor war er CEO der Influencer-Marketing-Software IROIN®. Mit seiner Expertise im Digital- und Influencer-Marketing sowie in SaaS-Geschäftsmodellen treibt er die digitale Transformation und Vernetzung von Unternehmen in Ostdeutschland voran. Er hat ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen der Region und setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Ostdeutschland als dynamischen Wirtschaftsstandort zu etablieren und innovative Lösungen voranzutreiben.

https://www.linkedin.com/in/moritz-wasserek
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